Probekapitel aus Lara kann geigen

 

10.  Maren liest Noten


Maren geht noch nicht in die Schule. Erst nach dem Sommer ist es soweit. Da wird sie lesen und schreiben lernen.

“Aber etwas kann ich jetzt schon lesen”, meint Maren zur Mutter und sagt, während die ihre Geige zum Üben hervorholt: “Die Griffzahlen nämlich.”

Es gibt vier Farben, für jede Saite eine: blau (D), rot (A), gelb (E) und braun (G)*, und die Griffe: 0, 1, 2, 3 und 4 in der jeweiligen Farbe. Die Farbschrift ist beim Üben zu Hause eine Erinnerungshilfe. Kaum sieht sie die ersten Ziffern, erkennt Maren das Lied aus dem Unterricht und spielt es fast auswendig.

Heute klappt es aber gar nicht. Sie soll nämlich etwas üben, was nur in schwarzen Noten geschrieben ist. Die farbigen Ziffern darüber fehlen.

“Das Lied kann ich nicht üben”, sagt Maren,ärgerlich, “denn schwarze Noten kann ich nicht lesen.” 

“Da hat Frau Petersen selber Schuld; warum schreibt sie die Griffe nicht darüber!”, denkt sie, und sie legt das Blatt mit dem ‘schwarzen Lied’ beiseite.

“Aber Maren”, sagt die Mutter, “du solltest selber die Griffe darüber schreiben; das steht im Aufgabenheft.”

“Hat sie mir nicht gesagt”, meint Maren. “Und ich hab auch heute keine Lust.”

Eigentlich hat Maren nie Lust, schwarze Noten in Griffschrift zu übersetzen. “Ich will geigen”, sagt sie mit Nachdruck, und spielt das nächste Lied. Da stehen alle Griffe in farbiger Schrift über den Noten. Und das dritte Stück kann sie sowieso ganz auswendig spielen.

Im Unterricht wird manchmal gesungen und dabei tippt Maren dann mit dem Finger auf die schwarzen Noten. Das kann sie gut, dazu braucht sie keine Farben.

“Und die blaue 0, und die rote 0, die kenne ich auch sehr gut”, sagt Maren.

“Na siehst du”, meint die Mutter. “Dann guck dir doch das ‘schwarze Lied’ mal an. Vielleicht findest du heute eine blaue 0.”

Maren guckt tatsächlich auf das Blatt.

“Es fängt mit blauer 0 an”, sagt sie über-rascht. “Und am Schluß ist auch noch eine!”

“Ja, die können wir schon mal darüber-malen”, meint die Mutter.

Beim Schreiben mit dem blauen Stift wandert Marens Blick an all den schwarzen Pünktchen entlang.

“Da sind ja zwei rote! Und dazwischen klettern sie Schritt für Schritt nach oben.”

Maren nimmt die Geige und zupft die Töne alle richtig nacheinander, bis zur A-Saite rauf.

“Das klingt ja wie »Alle meine Entchen«!”  Und auf einmal ruft sie: “Das ist »Alle meine Entchen«!”

Das Lied hat sie letzte Woche im Unterricht gesungen und gegeigt. So leicht ist das also!

“Na gut”, meint Maren, “dann übe ich diese Woche eben nach schwarzen Noten. – Aber eigentlich brauche ich gar keine Noten”, triumphiert sie, “das kann ich ja auswendig.”

“Wir malen sie morgen drüber”, sagt die Mutter, während Maren spielt.



Notenlesen


Im Anfang spielen die Kinder alle Übungen auswendig. Sie müssen ja zunächst kennenlernen, was es später zu lesen gibt. Damit sie allmählich die Zeichen auf dem Papier mit der musikalischen Form in Zusammenhang bringen können, lasse ich die Kinder die Melodien  singen und mit dem Finger den Verlauf der Notenschrift verfolgen.

Da die ersten Melodien sich häufig in den Quinten der leeren Saiten bewegen, erkennen die Kinder schnell, an welcher Stelle die Noten d, a, e oder g liegen. Mit dem Greifen der Finger 1, 2, 3, und 4 merken sie sich die Ziffern in der Farbe der jeweiligen Saite. So haben wir bald die 1. Griffart zur Verfügung. Die farbige Griffschrift hilft den Kindern beim Üben, die Melodie, die sie im Unterricht auswendig gelernt haben, wiederzufinden. Die farbige Bezifferung schreibe ich über die normalen Noten. Maren hat herausgefunden, daß sie die Bedeutung der schwarzen Punkte überhaupt nicht kennen muß. Viel besser geht es mit bunten Griffzeichen.

Sie soll aber doch allmählich vom Hilfsmittel der Farbschrift zum Notenlesen geführt werden. Zunächst geht es darum, die bekannten Zeichen, nämlich die leeren Saiten, im Schriftbild wiederzufinden. Die Griffolge hat Maren im Unterrichtsbeispiel eigentlich nur erraten. Da sie das Lied schon singen und auch spielen konnte, wurde ihr die Bedeutung der Notenschrift erst nachträglich klar.

Sie wird noch einige Wochen lang kleine Aufgaben zum Notenlesen bekommen, bis sie die Notenschrift in Töne und Griffe übersetzen kann.


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* Nach den Farben der Saiten ist auch der Schriftzug Saitenspiel auf unserer Begrüßungsseite gestaltet.

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Und so sehen die Fingersatzziffern über den Noten aus:


0 1 2 3 0 0 1 1 1 1 0 1 1 1 1 0 3 3 3 3 2 2 0 0 0 0 0